Multiple Sklerose wird manchmal fälschlicherweise als Gedächtnisstörung im Alter oder als Aufmerksamkeits-Distraktionssyndrom bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die weder mit dem Alter noch mit dem Gedächtnis in Verbindung gebracht wird. Dabei beginnt das Immunsystem unseres Körpers, die eigenen Zellen anzugreifen und das normale Nervengewebe durch ein dichteres zu ersetzen. Infolgedessen bilden sich im Gehirn und am Rückenmark multiple Plaques oder Narben.

Aufgrund dieser Läsionen sind viele Prozesse im Körper, vor allem neurologische, gestört. Es kann zu Muskelschwäche und Koordinationsstörungen, verminderter Sensibilität, Seh- und Taststörungen, Schmerzsyndromen und so weiter kommen. Oft haben solche Patienten (und es gibt über 2 Millionen Menschen, die an dieser Krankheit leiden) auch Probleme mit dem Schlaf.

Kürzlich jedoch entdeckten französische Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Sinéad Zeidan von der neurologischen Abteilung des Pariser Krankenhauses Pitieux-Salpetriere ein interessantes Phänomen. Wie wir wissen, verbringen Föten und Säuglinge fast die gesamte Zeit in der Phase des REM-Schlafs; mit zunehmendem Alter nimmt die Zeit, die wir in dieser Phase verbringen, jedoch stark ab, bis auf etwa 2 Stunden bei Erwachsenen, was unsere Chancen verringert, zum Beispiel luzide Träume zu erleben.

Den REM-Schlaf umzukehren ist fast so, als würde man das Altern verlangsamen. Natürlich ist es möglich, die REM-Schlafphase zu verlängern, aber nur im Rahmen einer Genesung – zum Beispiel, wenn man die Einnahme von Antidepressiva beendet oder einen chronischen Schlafmangel ausgleicht.

Die Wissenschaftler beschrieben jedoch einen Fall, der bei einem Patienten mit fortgeschrittener Multipler Sklerose mit einer anterioren pontinen Läsion gefunden wurde. Das Pontin ist der größte Teil des Hirnstamms und ist eine Gruppe von Nerven, die als Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Kleinhirn fungieren. Überraschenderweise blockierten Multiple-Sklerose-Plaques diese Hirnregion, die offenbar mit dem REM-Schlaf in Verbindung steht, wodurch der Patient eine signifikante Zunahme des REM-Schlafs verzeichnete – 200 Minuten oder 40 % der gesamten Schlafzeit.

Natürlich wurde dieser Effekt zufällig entdeckt und bedarf noch der Bestätigung durch andere Experimente, aber vielleicht erlaubt diese Entdeckung den Wissenschaftlern in der Zukunft, einen Weg zu finden, den REM-Schlaf zu kontrollieren.

 

Der Artikel wurde im Februar 2021 im Journal of Clinical Sleep Medicine veröffentlicht.

 

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