Erfüllt die Erforschung des klinischen Todes die wissenschaftlichen Kriterien? Gibt es überhaupt so ein Phänomen wie Nahtoderfahrungen und wie kann es wissenschaftlich nachgewiesen werden? Vor solchen Fragen stehen viele Wissenschaftler, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen. Birk Engmann, Forscher am Karl-Sudhoff-Institut für Medizingeschichte an der Universität Leipzig, ist der jüngste, der diese Fragen zu klären versucht.
Laut dem Forscher ist eines der Hauptprobleme bei der Bewertung von Nahtoderfahrungen das Fehlen einer Bestätigung des klinischen Todes bei den ausgewählten Teilnehmern. Die meisten der in wissenschaftlichen Arbeiten präsentierten Geschichten basieren auf einem erlebten Koma oder einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust auf der Intensivstation sowie unter dem Einfluss von Narkose.
Einige dieser Berichte liegen viele Jahre nach dem Erlebnis vor, wenn die Erinnerungen der Probanden nicht mehr als zuverlässig bezeichnet werden können. Außerdem werden sie danach ausgewählt, wie hoch sie auf der Grayson-Skala abschneiden. Das heißt, die Wissenschaftler suchen in den Fragebögen der Teilnehmer bewusst nach Beschreibungen von übernatürlichen Jenseitserfahrungen. Wenn man diese Frage jedoch breiter betrachtet, sind die Anzeichen für Nahtoderfahrungen viel vielfältiger, und die einzigartigen Erfahrungen der Teilnehmer können sich erheblich von dem Bild der „anderen Welt“ unterscheiden, das die Wissenschaftler zeichnen.
Schließlich neigen Wissenschaftler dazu, sich auf EEG-Berichte zum Zeitpunkt des Todes zu verlassen. Das EEG registriert jedoch nur die Oberflächenaktivität des Gehirns und spiegelt nicht dessen tiefere Prozesse wider. Daher können wir nicht sagen, dass das Gehirn nicht in irgendeiner Form funktioniert, auch wenn das EEG abflacht.
Zusammenfassend stellt Engmann fest, dass moderne Studien über Nahtoderfahrungen in Bezug auf die gelieferten Daten weit davon entfernt sind, zuverlässig zu sein, und daher nicht den Kriterien für wissenschaftliche Genauigkeit entsprechen. Zukünftige Studien, so der Forscher, müssen bei der Auswahl der Stichprobe strenger vorgehen, indem sie eine umfassende Analyse durchführen, ob die Teilnehmer tatsächlich eine Nahtoderfahrung hatten.
Wenn die Schlussfolgerungen dieser Arbeit richtig sind, können wir viele neue Entdeckungen auf dem Gebiet der Nahtoderfahrungen erwarten, und all das “Entlarven”,was wir derzeit als „Fakten“ betrachten.
Der Artikel wurde im Januar 2020 in der Zeitschrift Advanced Studies in Medical Sciences veröffentlicht.