Es ist allgemein anerkannt, dass sich das Bewusstsein zwischen Schlaf und Wachsein deutlich unterscheidet. Wenn wir schlafen, erleben wir einen unbewussten Strom von Gedanken und Bildern. Im Wachzustand sind wir uns all dessen bewusst, was mit uns geschieht, und können den Gedanken- und Handlungsfluss beeinflussen. Luzide Träume sind eine Ausnahme von der Regel, aber auch in diesem Zustand funktioniert unser Bewusstsein in einem Zwischenmodus zwischen Schlaf und Wachsein.
Können wir die Grenzen zwischen den Bewusstseinszuständen skizzieren und sind sie so eindeutig? Die Autorin Jennifer M. Windt von der Monash University in Australien hat versucht, diese Frage zu beantworten. Laut Windt sind die Grenzen zwischen den verschiedenen Bewusstseinszuständen unschärfer, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Zur Untermauerung ihrer Hypothese führt die Wissenschaftlerin neuere Forschungen an, die zeigen, dass wir einen erheblichen Teil unseres wachen Lebens in einem Zustand wandernder Gedanken oder spontaner Gedanken verbringen.
Tatsächlich wird es, besonders im digitalen Zeitalter, immer üblicher, einen Teil unseres Lebens auf Autopilot zu verbringen. Nach einigen Schätzungen verbringen wir bis zu 50 % unseres wachen Lebens mit Tagträumen. Dieser Zustand umfasst jede Zeit, in der unsere Gedanken und unsere Aufmerksamkeit nicht auf das gerichtet sind, was wir gerade tun, sondern sich in einem freien assoziativen Fluss entfalten. Einigen Wissenschaftlern zufolge können Träume eine extreme Form des wandernden Geistes sein. Windt zum Beispiel behauptet, dass Träume analog zu unserem Bewusstsein funktionieren, wenn es im „Offline-Modus“ ist, also frei von Einflüssen der Umwelt, externen Reizen und Aufgaben.
Luzide Träume finden trotz der scheinbaren Unterschiede im Bewusstsein ebenfalls im „Offline-Modus“ statt. Der Träumende erlebt das Geschehen in einer traumähnlichen Welt, ist aber dennoch ein Teil von ihr. Im Schlaf und in der Realität erleben wir Zustände spontaner Gedanken, die in vielfältigen Variationen auftreten können.
Zukünftige Forschungen könnten somit die Unterschiede in der Natur des Bewusstseins erhellen, nicht in Bezug auf die Grenzen von Schlaf und Wachsein, sondern in Bezug auf die verschiedenen Arten des “mentalen Autopilots”, bei dem die Gedanken wandern.
Die Studie wurde im Dezember 2020 in der Zeitschrift der Royal Society veröffentlicht.