Die wissenschaftliche Zeitschrift Dreaming widmete im September 2020 einen Sonderteil den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf unsere Träume. Forscher aus verschiedenen Ländern haben Berichte darüber veröffentlicht, wie sich der Inhalt unserer Träume seit März 2020 verändert hat. Es hat sich herausgestellt, dass COVID-19 tatsächlich unsere Träume beeinflusst hat: Wir haben begonnen, länger zu schlafen, uns an mehr Träume zu erinnern und andere Arten von Träumen zu haben. Es ist sogar ein spezieller Begriff im Netz aufgetaucht – COVID-Albträume. Umfrageteilnehmer stellen fest, dass ihre Träume bizarrer, lebhafter und beunruhigender geworden sind.
Scientific American berichtete, dass 37 % der Menschen in den USA Träume über die Pandemie haben, wobei sich 29 % an deutlich mehr Träume als sonst erinnern. In der chinesischen Provinz Wuhan, wo die Epidemie begann, gaben 45 % der befragten Krankenschwestern an, dass sie Albträume haben. Dieser Prozentsatz ist doppelt so hoch wie derjenige, der bei isolierten Patienten in psychiatrischen Kliniken verzeichnet wurde.
Menschen, die von COVID-19 geträumt haben, beschreiben die Trauminhalte oft mit folgenden Begriffen: Epidemie, Zombies, Apokalypse, Erstickungsanzeichen, Kämpfe in einem Supermarkt, Angst vor dem Alleinsein oder das Begraben eines nahestehenden Menschen.
Ein noch merkwürdigerer Aspekt der COVID-Albträume ist jedoch die Häufigkeit von Insektenbildern. Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern haben mehr und mehr Träume über Schwärme von Wespen, Ameisen und Käfern festgestellt, die Menschen angreifen. Nach Ansicht der Wissenschaftler konstruiert unser Gehirn auf diese Weise im Traum die Simulation einer Bedrohung. Dahinter steht der Gedanke, dass der Virus unsichtbar und nicht greifbar ist. Da es sich um ein Problem handelt, das wir im Wachbewusstsein nicht lösen können, neigen wir dazu, die emotionale Erfahrung davon in unsere Träume zu übertragen, die dann zu Albträumen werden.
Unser Gehirn baut bei dem Versuch im Traum Lösungen zu finden die metaphorische Kette in verzerrter Form wieder auf, ähnlich wie es Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung erleben.
Laut Wissenschaftlern können luzide Träume jedoch helfen, diese Kette zu durchbrechen. Menschen, die COVID-Albträume erlebt haben, können ihre Angst überwinden oder zumindest lernen, sie mit Hilfe von luziden Träumen zu kontrollieren. Einige Wissenschaftler, darunter Dr. Denholm Aspy von der Universität Adelaide in Australien, weisen auf die Tatsache hin, dass „die Traumerinnerung bei einer durchschnittlichen Person um etwa 35% angestiegen ist“ Das bedeutet, dass gerade jetzt die beste Zeit ist, um Techniken des Phaseneintritts zu üben. Denn „die generelle Fähigkeit der Traumerinnerung ist der stärkste Prädiktor für das erfolgreiche Erlernen des luziden Träumens.“
Michael Raduga vom Phase Research Center, kommentiert: „Wir sprechen hier von nichts weniger als einer globalen Veränderung der Traumkultur. Wahrscheinlich ist der Hauptfaktor dahinter nicht nur die ‚unsichtbare‘ Bedrohung durch die Pandemie, sondern eine Veränderung des Lebensstils.
Unter Bedingungen wie Heimarbeit, Arbeitslosigkeit oder langen Urlauben beginnen wir, mehr zu schlafen. Und je mehr wir schlafen, desto häufiger sehen wir am Morgen Träume und desto besser können wir uns an sie erinnern. Wir können davon ausgehen, dass auch die Phasenerlebnisse häufiger geworden sind.“
Wie haben sich Ihre Träume im Laufe des letzten Jahres verändert?